Samstag, 18. April 2009

Kastrationspflicht für alle Freigängerkatzen

In Österreich ist es seit dem 01.01.2005 im Tierschutzgesetz verankert, dass Freilaufkatzen verpflichtend kastriert werden müssen! In dieser Hinsicht sind die Österreicher den Deutschen einen Schritt voraus. Die Stadt Paderborn ist jedoch vorbildlicher Vorreiter in Deutschland und hat am 22.09.2008 beschlossen die Kastrationspflicht für freilaufende Katzen einzuführen. Es bleibt zu hoffen, dass bald alle Städte und Kommunen diesem Beispiel folgen werden und somit die Kastrationspflicht für Katzen in ganz Deutschland gilt.

Hier ist ein Videobericht zur Kastrationspflicht für freilaufende Katzen in Paderborn

Zu diesem Thema wurde im WDR am 05.10.2008 berichtet. Dazu nachfolgend ein ausführlicher Artikel:

Kastrationspflicht für Freigängerkatzen

Katzen, so scheu sie auch sein mögen, sind keine Wildtiere sondern Haustiere, die auf den Menschen angewiesen sind. Anders als bei Wildtieren reguliert sich die Population bei herrenlosen Katzen nicht auf natürliche Weise. Mit einem halben Jahr ist die Katze geschlechtsreif, zweimal im Jahr bringt sie durchschnittlich vier bis sechs Junge zur Welt, es sind aber auch drei Würfe pro Jahr mit je sechs bis acht Jungen möglich. Der Deutsche Tierschutzbund rechnet vor: „Angenommen, dass eine Kätzin wenigstens zweimal im Jahr Nachwuchs bekommt, jeweils nur drei Junge pro Wurf überleben, und die Katzen sich jeweils fremde Partner suchen, ergibt dies rechnerisch nach einem Zeitraum von zehn Jahren die stattliche Anzahl von mehr als 240 Millionen Nachkommen.“

Seit Jahren fordern Katzenschutzvereine den Bundesgesetzgeber vergeblich dazu auf, eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen vorzuschreiben, wie sie in Österreich eingeführt wurde. Der Bund wäre zuständig, weil er über die Einhaltung des Tierschutzgesetzes zu wachen hat. Herrenlose Katzen führen ein elendes Leben, Katzenschnupfen und andere Seuchen hinterlassen bei den Tieren oft bleibende Schäden, zum Beispiel Atemnot oder Blindheit.

Unmittelbar finanziell betroffen sind die Kommunen, denn sie kofinanzieren in der Regel die Tierheime, die im Auftrag der Städte Fundkatzen aufnehmen und erheblich erkrankte Katzen versorgen müssen. Oft ist nicht klar, ob eine Katze einen Besitzer hat oder nicht. Um Kosten zu sparen, versuchen die Kommunen, Fundkatzen zu herrenlosen Tieren umzudeklarieren. Es gibt auch Berichte von Findern, die von Tierheimen mit dem Argument abgewiesen wurden, sie hätten die Katzen gefüttert und seien daher Eigentümer geworden. Immer wieder verhängen Tierheime Aufnahmestopps für Katzen, weil sie die Tiere nicht mehr versorgen und vermitteln können.

Initialzündung in Paderborn

Das Paderborner Tierheim verhängte in den vergangenen zwei Jahren dreimal einen Aufnahmestopp für Katzen. Gabriele Votsmeier vom Trägerverein „Tiere in Not“: „Wir konnten nicht mal mehr eine kleine Fundkatze unterbringen, weil jeglicher Platz, der mit Katzen belegt werden konnte, belegt war. Die Finder standen mit den Tieren vor der Tür und man wusste nicht mehr wohin, außer sie wieder laufen zu lassen. Oft haben uns die Leute die Katzen über den Zaun geworfen oder im Karton vor dem Tor abgestellt.“

Aus dem sozialen Dienst der Stadt und von Katzenschutzvereinen kam immer häufiger die Rückmeldung, dass Katzenhalter nicht in der Lage oder willens waren, ihre Tiere kastrieren zu lassen. Doch den Nachwuchs konnten sie dann nicht versorgen. Brigitta Brockmann vom Bund für Tier- und Naturschutz Ostwestfalen: „Selbst kostenlose Kastrationen waren oft nicht erwünscht. War der Nachwuchs dann da, sollten wir uns darum kümmern.“ Dazu kamen Beschwerden von Bürgern über eine Katzeninvasion in ihrem Garten oder Würfe herrenloser Tiere auf ihrem Grundstück.

Eine große Rolle spielte auch das gut dokumentierte Engagement von „Aktion Tier“ im Kreis Paderborn. Dieser Verein hat die „Aktion Kitty“ ins Leben gerufen, die sich bundesweit um Straßenkatzen kümmert. Erwachsene Katzen, die nicht mehr an ein Zusammenleben mit Menschen zu gewöhnen sind, werden kastriert und an Futterstellen weiterversorgt, der Nachwuchs wird eingefangen, kastriert und vermittelt. Susan Smith von Aktion Tier: „Im vergangen Jahr haben wir im Kreis Paderborn 592 Katzen kastrieren und tierärztlich versorgen lassen. Wir hatten Tierarztkosten von 50.000 Euro, was im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass die Katzen meist sehr krank zu uns kommen.“ Weil sie das Problem erkannt haben, zahlten einige Gemeinden im Kreis Paderborn dem Verein sogar Zuschüsse zu den Kastrationskosten.

Eingriff ins Privatrecht gerechtfertigt

Anders als viele Amtstierärzte ignorierte Dr. Ralf Lang, der für Tierschutz zuständige Veterinär des Kreises Paderborn, das Problem nicht und überzeugte die Bedenkenträger davon, dass ein Eingriff in das Privatrecht von Katzenhaltern gerechtfertigt ist. Dr. Ralf Lang: „Die Katze ist das einzige Haustier, von dem viele Halter glauben, sie müssten sich nicht um die Nachkommen sorgen. Stellen sie sich vor, ich würde meinen Hund zweimal im Jahr werfen lassen und sagen, ‚das ist aber nicht mein Problem, was da hinten rauskommt’. Es kann nicht angehen, dass zum einen immer mehr Katzenelend produziert wird, das wir tierschutzrechtlich nicht haben wollen, und dass zum Anderen, wenn der Nachwuchs aufgegriffen und ins Tierheim gebracht wird, der Steuerzahler dafür aufkommen soll.“

Schließlich schlug die SPD-Abgeordnete Kornelia Welz dem Rat vor, eine Kastrationspflicht für Freigängerkatzen einzuführen. Trotz absoluter CDU-Mehrheit wurde die entsprechende Verordnung am 22. September 2008 einstimmig erlassen. Seitdem gilt in Paderborn die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für alle Freigängerkatzen ab einem Alter von fünf Monaten. Auf Antrag ausgenommen sind Katzenzüchter und Landwirte. Eine pauschale Ausnahmegenehmigung für Bauern, wie sie in Österreich gilt, wird es in Paderborn aber nicht geben. Dr. Ralf Lang: „Ein oder zwei unkastrierte Katzen sind tolerierbar, wenn der Landwirt glaubhaft darlegen kann, dass er sich um deren Nachwuchs kümmert und den nicht ausdünnt. Das klassische Argument, man müsse mindestens zehn Tiere haben, weil nur zwei Junge das erste Jahr überleben, kann nicht gelten.“

Auch Menschen, die wildlebende Katzen füttern, müssen laut Verordnung für die Kastration Sorge tragen. Brigitta Brockmann hofft, dass es deshalb nicht zu Missverständnissen kommt: „Wir sind auf Menschen angewiesen, die Katzen versorgen, sonst können wir die Tiere nicht einfangen. Es darf aber nicht wie in der Vergangenheit sein, dass die Katzen aus Mitleid gefüttert werden und niemand daran denkt, dass sie sich auch vermehren. Die Leute sollen sich rechtzeitig bei den Tierschutzvereinen melden, damit wir tätig werden können.“
Der Anfang einer Lösung

Allen Beteiligten war und ist klar, dass die Kastrationspflicht für Freigängerkatzen nur der Anfang einer Lösung des Problems ist. Das häufig vorgebrachte Argument, die Kastrationspflicht könne nicht kontrolliert werden und eine derartige Verordnung sei daher sinnlos, lässt Dr. Ralf Lang nicht gelten: „Keine Rechtsvorschrift kann man hundertprozentig kontrollieren, Mord ist auch verboten, trotzdem wird gemordet, platt gesagt. Die Verordnung gibt uns die Möglichkeit dort einzugreifen, wo eine Überpopulation droht. Ich gehe aber primär davon aus, dass die meisten Tierhalter eine rechtliche Vorgabe verstehen und ihr auch nachkommen.“

Wie alle Menschen, die sich in Paderborn um verelendete Katzen kümmern, ist Brigitta Brockmann froh, endlich Rückendeckung zu haben: „Bislang mussten wir auf Knien bitten, dass wir kostenlos kastrieren dürfen, manche haben sich darauf eingelassen, andere haben uns vom Grundstück gejagt. Jetzt können wir notfalls mit Druck arbeiten. Spätestens dann, wenn es zu viele sind, wenn die Katzen mager, verschnupft oder verwurmt sind, dann können wir die Leute auf dieser Verordnung festnageln.“

Katzenhaltern, die belegen können, dass sie eine Kastration beim Tierarzt zum regulären Preis – ab 50 Euro für einen Kater, ab 90 Euro für eine weibliche Katze – nicht bezahlen können, wollen Tierschutzvereine wie „Aktion Tier/Aktion Kitty“ einen Zuschuss gewähren. Auch die Paderborner Tierärzte zeigen sich kulant. In den sechs Wochen nach Inkrafttreten der Verordnung wollen sie von Paragraf 4 der tierärztlichen Gebührenordnung Gebrauch machen, der es ihnen in Ausnahmefällen erlaubt, den regulären Preis zu unterschreiten.

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