Montag, 27. April 2009

Frühkastration von Katzen unter Tierschutzgesichtspunkten

Mit freundlicher Genehmigung des Tierschutzvereins Katzenzuhause e.V. stelle ich nachfolgenden interessanten Artikel über die Frühkastration von Katzen unter Tierschutzgesichtspunken hier vor. Der Bericht wurde von Dr. Willa Bohnet, Tierschutzzentrum der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Bünteweg 2, 30599 Hannover zur Verfügung gestellt.

Frühkastration von Katzen unter Tierschutzgesichtspunkten

Einleitung
Die Frage nach dem "optimalen Zeitpunkt" für die Durchführung der Kastration als Maßnahme zur Empfängnisverhütung entfacht unter Fachleuten immer wieder rege Diskussionen. Dabei geht es um die Frage, ob es günstiger ist, Katzen vor oder nach Erreichen der Geschlechtsreife zu kastrieren. Die Argumente für und gegen die Kastration vor der Geschlechtsreife beziehen sich primär auf die technische Umsetzung und mögliche Folgeschäden. Auch emotionale Einwände und ethische Bedenken spielen eine Rolle. Seit etwa zwei Jahren wird die Thematik durch die, insbesondere in den USA propagierte, Kastration von Katzenwelpen im Absatzalter erweitert. In den USA besteht eine gewaltige Überpopulation von Katzen und Hunden, deren Folge die Euthanasie von durchschnittlich 20 Millionen streunenden Tiere jährlich ist. Daraus resultiert die Beschreitung immer neuer Wege der Empfängnisverhütung.

Begriffsdefinition
Die Kastration ist die chirurgische Entfernung der Keimdrüsen. Geschlechtsspezifisch ist von der "Ovarektomie", also der Entfernung der Eierstöcke beim weiblichen Tier und der "Orchiektomie", der Entfernung der Hoden beim männlichen Tier, zu sprechen. Frühkastration bezeichnet die Kastration bei jungen, geschlechtlich nicht ausgereiften Tieren. Dabei kann es sich um die Kastration im Absetzalter, also mit 8-14 Wochen, oder um die Kastration vor dem Einsetzen der Geschlechtsreife (Pubertät) handeln. Beginn der Pubertät bei der Katze variiert von Tier zu Tier und ist ebenfalls abhängig von der Rasse und vom Geschlecht. Bei der weiblichen Katze beginnt die Pubertät im Alter von 4-21 Monaten, beim Kater im Alter von 6-8 Monaten.

Warum Frühkastration?
In den letzten Jahren steigt ständig die Zahl der streunenden oder verwilderten Katzen. Diese Tiere machen 70% der in Tierheimen eingelieferten Katzen aus. Die geradezu sprichtwörtliche Fruchtbarkeit der Katze wird ihr in der heutigen Zeit zum Verhängnis. Bedenkt man, dass ein Katzenpaar pro Jahr im Druchschnitt drei Welpen bekommen kann, so vergrößert sich die Katzenpopulation innerhalb von 10 Jahren auf ca. 80 Millionen Tiere. In einem großen Katzenbestand können sich Krankheiten leicht und schnell ausbreiten. Um nicht auf amerikanische Verhältnisse hinzusteuern, einer Überbevölkerung von Katzen also wirksam entgegenzuwirken, zeichnet sich die Kastration als die Methode zur sicheren und dauerhaften Unfruchtbarmachung aus. Die Kastration, von freilebenden Katzen und nach Möglichkeit auch aller Hauskatzen, stellt derzeit die einzige Möglichkeit dar, das Anwachsen der freilebenden Katzenpopulationen und die damit verbundene Verelendung der Tiere zu verhindern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Privathalter, die eine junge Katze aus dem Tierheim aufnehmen, häufig "vergessen", das Tier kastrieren zu lassen. Für die Tierheime ist es daher wichtig, nur kastrierte Katzen weiter zu vermitteln. Freilebene Katzen, die bereits einmal eingefangen wurden, lassen sich nur schwer erneut einfangen. Aus diesem Grunde ist es bei diesen Tieren notwendig sie bereits in jungem Alter zu kastrieren. Vor diesem Hintergrund kann die Kastration als aktive Maßnahme des Tierschutzes angesehen werden.

Effekte der Frühkastration auf die körperliche Entwicklung
Effekte der Kastration von Welpen im Absetzalter wurden bisher nur bis zu einem Lebensalter von 24 Monaten durch Studien überprüft. Welche Folgen diese Form der Frühkastration im weiteren Leben hat, ist bisher nicht hinreichend bekannt. Die Narkose und der chirurgische Eingriff an sich stellen für Welpen kein erhöhtes Risiko dar. Folge der Frühkastration ist, dass sich die Wachstumsfugen der Knochen später als normal schließen, die Tiere werden infolgedessen größer. Kastrationsbedingt ist die Stoffwechselaktivität verringert, so dass es zu einer nachweislich erhöhten Zunahme des Körperfetts und damit des Körpergewichts kommt (ca. 1kg). Unabhängig vom Zeitpunkt der Frühkastration fällt eine Verringerung der Agressivität untereinander und eine vermehrte Anschmiegsamkeit gegenüber den betreuenden Personen auf. Mit sieben Wochen oder sieben Monaten kastrierte Kater weisen im Alter von 22 Monaten ähnliche Harnröhrendurchmesser auf wie nicht kastrierte Kater. Dieser Punkt ist wichtig im Hinblick auf Harngriesbildung bei Katern. Während sich bei nichtkastrierten Katern im Alter von 22 Monaten der Penis vollständig aus dem Präputium (Vorhaut) vorlagern lässt, ist dies nur bei 60% der mit sieben Monaten und bei keinem der mit sieben Wochen kastrierten Tieren möglich. Langfristige Effekte dieser Entwicklungsstörung sind noch nicht abzusehen. Dasselbe gilt für den Harnröhrendurchmesser weiblicher Katzen, der im Alter von 22 Monaten nach Kastration im Welpenalter deutlich geringer ist als bei nicht kastrierten Tieren. Unerwünschte Folgen der Kastration, auch im späteren Lebensalter, sind insbesondere bei langhaarigen Rassen qualitative Fellveränderungen ("Welpenfell"). Zusammenfassend sind diese Ergebnisse dahingehend zu beurteilen, dass soweit bisher bekannt ist, die Frühkastration von Katzen keine unmittelbaren Schäden verursacht, aber das Erscheinungsbild, das Verhalten und möglicherweise auch einzelne Organfunktionen im Erwachsenenalter von denen geschlechtlich intakter Tiere abweichen.

Fazit:
Nach Abwägung aller Faktoren lässt sich sagen, dass die Frühkastration nach dem heutigen Kenntnisstand eine vertretbare Maßnahme ist, um der Zunahme von verwilderten Katzen und den daraus für die Tiere entstehenden Schmerzen, Leiden und Schäden entgegen zuwirken.

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